Mit geschlossenen Augen und einem offenen Herz: Von der Kirche in die Kneipe ists ein kurzer Weg. Howalds Fünfköpfer ILJA geht ihn vorwärts rückwärts, bei Tag und bei Nacht. Zwischen den Kirchenbänken weht ihm der Weihrauch um die Birne, das riecht nach heiliger Ewigkeit, in der Beiz schwingen die alten Zeiten, hängen in Schwaden. Und den Herrgott gibts für drei Franken. ILJA geistern nicht spätestens seit dem leichtfüssigen Erstling «Tundra» mit den besten Empfehlungen durch die Hinterzimmer des internationalen Jazz. Auf «Spiritual Cycle» rückt die Band noch näher zusammen, reisst die letzten Trennwände ab und spielt sich gegenseitig ganz nah am Ohr: Es geht rauer und verrückter zu, direkter und intimer. Auf diesem Album ist der Jazz lebendig, weil er wandeln kann. Weil er wildem solistischen Treiben Raum lässt und die ruhenden Impressionismen, wie sie zu Howalds Handwerk deutlich gehören, im Gegenlicht aufscheinen lässt. Weil die Musik nicht zurechtgezupft wird und ein einziger Take am Ende doch drei Stücke ausspuckt. Es ist Musik auch für die Eleganz, nicht zu predigen in der Kirche und nicht zu pöbeln in der Beiz. Ein Instrumentalalbum, um ein Haar: Schliesslich läuft dieser spirituelle Zyklus aus und nach Hause. Es ist schon spät, das Taxi 31 längst abgefahren. Ein trunkenes Zwischenspiel in die Gasse, einen Gedanken fliegen lassen nach dem kleinen Freund. In weissen Schuhen Schritt für Schritt vom Aufbruch träumen und der Ungewissheit. Ein Abenteuer anzünden – bevor alles verschwimmt in den Schattierungen von Blau. (mrk)